Tyske Ludder „Unterstützt eure Künstler“

Der Kunst- und Kulturbetrieb steht quasi still. Sowohl den Künstlern, als auch uns Konsumenten bleiben derzeit in der Hauptsache Online-Events.

Es gibt dennoch einige wenige Konzerte und Festivals, die auf verschiedene Art und Weise real stattfinden.

Über die aktuelle Situation der Kunst- und Kulturszene, was Tyske Ludder in diesem Jahr noch vor haben und warum der Bierkonsum zurückgegangen ist, plauderte ich mit Olaf.

Dark Weib (DW): Unter normalen Umständen hätten wir uns selbstverständlich auf einem Festival getroffen und das Interview face-to-face gestaltet. Das gibt dieses Jahr nicht her, somit machen wir das Interview – wie derzeit fast alles – online.

Damit wären wir schon bei meiner ersten Frage. Wie du weißt, stalke ich sowohl die Band und auch dich ein wenig. Bislang fiel mir dabei nichts auf, was ihr derzeit Besonderes online anbietet. Gibt es denn irgendetwas, außer eurer FB- oder Webseite, womit ihr eure Fans derzeit online beglückt oder beglücken wollt?

Olaf (O): Tatsächlich entziehen wir uns im Moment diesem ganzen Online-Event-Wahnsinn. Wir haben am Anfang auch kurz damit geliebäugelt, aber uns wurde schnell klar, das ist kein Format, das derzeit für Tyske in Frage kommt. Gleiches gilt im Übrigen auch für Autokino- und Strandkorb-Festivals. Ich denke, wir und die Fans müssen halt einfach noch ein wenig warten. Wir spielen nächste Woche eine Liveshow in Prag (XV. Prague Gothic Treffen, 28. und 29.08.2020 Anm. d. Redaktion). Wir sind gespannt, wie das funktionieren wird.

Neben der FB-Seite und der Website, die wir aber sträflich vernachlässigen, gibt es auch noch das Instagram-Profil. Da versuchen wir im Moment ein wenig vom Studiozauber rüber zu bringen, da wir ja auch gerade an neuem Material arbeiten. Übrigens völlig unabhängig von Corona, es war einfach mal wieder Zeit. Ich habe ja letztes Jahr das zweite Harmjoy-Album fertig gemacht, so dass wir nun wieder den Kopf frei hatten für unser Hauptprojekt.

DW: Ich persönlich bin aus vielen Gründen froh, in dieser Situation in Deutschland zu leben. Da wären auf der einen Seite natürlich die recht schnell ergriffenen, und durch das frühe Eingreifen auch recht milden Maßnahmen, die bei uns die Zahlen sehr gering gehalten haben. Auf der anderen Seite war es für viele ein Segen, dass der Staat hier gute Möglichkeiten der Unterstützung anbot. Kurzarbeit, günstige Kredite, Soforthilfen, um nur einige der Unterstützungen zu nennen.

Dennoch gibt es eine Menge Unternehmen, Solo-Selbstständige und Menschen, die leider komplett untergegangen sind. Allem voran natürlich Künstler, Kulturschaffende, Kunst- und Kulturbetriebe.

Ich weiß natürlich, dass weder Claus noch du von der Musik leben. Dennoch interessiert es mich, wie das für euch als Band war. Hattet ihr, natürlich außer den Ausfällen an Konzerten, Einbußen?

O: Wie du ja schon richtig erwähnt hast, Claus und ich müssen nicht von der Kunst leben. Das war uns auch immer sehr wichtig, alleine schon deshalb, um nicht fade Kompromisse in unserer Musik wegen des Geldes eingehen zu müssen. Wir müssen kommerziell nicht erfolgreich sein.
Zurück zu deiner Frage: Bei unseren Kollegen und unserer Live-Crew merken wir natürlich schon, wie wahnsinnig die ganze Situation für jemanden ist, der wirklich von seiner Arbeit im Kulturbereich leben muss. Von daher tun auch uns die zahlreichen Ausfälle und Absagen von Shows schon richtig weh, ohne dass wir persönlich monetär betroffen wären. Wir versuchen das in der Zukunft ein wenig zu kompensieren, indem wir z.B. kleinen Clubs Benefiz-Konzerte anbieten (z.B. der Subkultur in Hannover), die wir nach den Lockerungen spielen wollen.

DW: Gab es seit dem Lock-Down im März irgendwelche Begebenheiten von Seiten der Fans, die euch besonders erfreuten oder auch besonders verletzten?

O: Also was wir durchweg mega fanden, war die Tatsache, dass die Leute die Tickets für die großen Festivals zu fast 100% behalten haben, um nächstes Jahr dann am Start zu sein. Da haben wir aus anderen Genres ganz andere Sachen gehört.

DW: Ich bin von der Kreativität vieler Menschen in dieser Zeit absolut begeistert. Als reine Kunstkonsumentin habe ich das Glück wirklich verwöhnt worden zu sein. Viele Clubs und DJs bieten Streams an, zum Teil gar Konzerte und Festivals.

Das ist großartig, denn so konnten in der Tat einige Clubs über Wasser gehalten werden und ich hoffe, sie können auch weiterhin über Wasser gehalten werden.

Als Konsumenten verfolgen wir ja hauptsächlich die Streams unserer Stammclubs und Stamm-DJs, schließlich wollen wir, sobald es wieder möglich ist, genau dorthin.

Hast du als selbst Kunstschaffender denn einen Tipp, welcher Stream besonders lohnenswert ist, um dort einmal hinein zu schnuppern. Oder einen besonderen Club, der noch Unterstützung benötigt, damit er die Krise überlebt?

Und natürlich interessiert mich auch, ob du denn einen Stamm-Stream hast.

O: Wie ich ja schon eingangs erwähnte, ich kann mit den aktuellen Streaming Ereignissen ohne Publikum nicht wirklich was anfangen. Da haben sich einige Kapellen mehr zum Narren gemacht; das tat teilweise schon ein wenig weh. Wer das ganz gut hinbekommen hat, das waren Solitary Experiments. Zumal man auch für den NUKE Club spenden konnte. Da war aber auch vernünftige Technik am Start und gefühlt eher die Ausnahme. Das hat halt nicht jeder.
Generell habe ich aber nichts gegen Streaming. Eine gute Konzertaufzeichnung, gerne auch live, finde ich super. Ich schaue mir gerne die Aufzeichnungen der M‘era Luna Konzerte der vergangen Jahre an, und kann diese auch empfehlen, wobei es ein wenig schade ist, dass da primär die großen Acts der Hauptbühne zum Zuge kommen. Da hätte ich mir auch mehr von den kleineren gewünscht, zumal ja die Infrastruktur des NDR eh vor Ort war.

DW: Wie erlebst du als Kunstschaffender diese Zeit. Einige deiner Kollegen scheinen ja gut in Aluminium investiert zu haben. Ich war zuweilen wirklich schockiert.

Bist oder warst du auch schockiert, oder geht dir das am Allerwertesten vorbei? Wenn du schockiert warst, was hat dich am meisten schockiert? Du musst hier selbstverständlich keine Namen nennen, mir reichen da schon einfach bestimmte Handlungsweisen.

O: Nun, dass sich einer der großen 10 in unserer Szene plötzlich als Schwurbler und QAnon Anhänger geoutet hat, das kam schon ziemlich überraschend und aus dem Nichts. Das hätte ich an der Stelle echt nicht vermutet. Aber es sind halt auch schwierige Zeiten für Menschen, die versuchen müssen mit ihrer Kunst zu überleben. Ich würde mir wünschen, dass das aber nach dem ganzen Wahnsinn mal aufgearbeitet wird.

Was ich aber noch feststelle, viele der Künstlerkollegen, auch viele, die nicht davon leben müssen, kehren jetzt ihr Innerstes nach außen und dabei treten, oft auch nur in Zwischentönen, latente Vorurteile und bösartige Ideologien zu Tage. Ich frage mich wie weit diese Menschen gehen würden, wenn wir mal wirkliche Probleme in unserem Leben und unsere Gesellschaft hätten, denn bis auf die monetären Einbußen sind wir in Deutschland doch bisher ganz gut mit der Pandemie umgegangen. Das macht mir schon ein wenig Angst.

DW: Sorry, aber ich muss in dieser Hinsicht auch mal kurz persönlich werden: In der Krise zeigt sich der Charakter, heißt es. Leider muss ich dem zustimmen. Ich musste mich in dieser bis jetzt noch gar nicht so lange anhaltenden Krise von einigen „Freunden“ verabschieden. Einige haben definitiv den falschen Weg eingeschlagen und glauben lieber daran, dass Bill Gates uns zwangsimpfen lassen möchte, Andere konnten meine Kritik nicht ertragen und wieder andere finden es unmöglich, dass ich derzeit auf Körperkontakt mit ihnen verzichten will.

Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht?

O: In meinem engsten Bekanntenkreis habe ich Gott sei Dank keine solchen Erfahrungen gemacht. Da ist jetzt keiner aufgrund von COVID-19 auf einmal in die eine oder andere Richtung abgedriftet. Wenn die „verschwurbelt“ im Kopf waren, dann waren die das auch schon vorher.
Ganz anders in den sozialen Medien:
Da gibts schon einige, die man mal so von hinter der Bühne oder vom Festival kannte, die jetzt „hart abbiegen“. Aber das war eigentlich auch schon vorher erkennbar, wenn auch nicht so in dem Ausmaße. Von daher hatte ich keine großen Überraschungen bisher.

DW: So nun aber wieder zurück zur Kunst, zur Band und alles was damit zu tun hat.

Die Absage bzw. Verschiebung welchen Konzerts oder Festivals traf euch besonders hart? Egal, ob nur als Besucher oder als Act.

O: Das war auf der einen Seite sicherlich das M‘era Luna, auf dem wir gespielt hätten, das wir aber auch regelmäßig als Gäste besuchen. Wir mögen da einfach die Atmosphäre und wir treffen uns da auch schon seit Jahren mit einer festen Clique. Zum Glück ist das Event ja 1:1 nach 2021 geschoben worden. Ich bin da ja echt gespannt, ob das funktioniert.

Zum anderen hatten wir dieses Jahr auch noch diverse Clubshows mit den „German Gods of EBM“ geplant. Dieses Format ist uns echt ans Herz gewachsen, weil wir damit super die Locations mit 200-300 Gästen erreichen konnten. Das fehlt gerad
e massiv.

DW: Mich erfreut es derzeit, dass es so langsam aber sicher wieder etwas in Richtung Normalität geht und sogar einige Konzerte bzw. Festivals stattfinden, so denn alles so schick bleibt, wie es derzeit ist.

Welches ist denn das nächste Konzert oder Festival – bislang – für das ihr gebucht seid?

O: Wie oben ja schon erwähnt, fahren wir nächstes Wochenende zum Prague Gothic Treffen, auf dem wir noch nie gespielt haben. Wir waren selbst total überrascht, als die Anfrage rein kam. Haben die denn kein Corona, das wird doch bestimmt abgesagt? Das waren so unsere Gedanken. Aber nein, anscheinend kannst du in Tschechien, mit Maskenpflicht, auch Festivals in dieser Größenordnung durchführen.

Ansonsten schieben wir noch einige Clubshows vor uns her. Bei den großen Festivals wird es ja keine neuen Buchungen geben, da ja fast alle ihr komplettes Line-Up nach 2021 verschoben haben.

DW: Auf eurer FB-Seite durften wir sehen, dass auch ihr derzeit an Songs arbeitet. Wann dürfen wir mit einer Veröffentlichung rechnen?

O: Wir wollen damit noch diesen Herbst an den Start gehen. Die meisten Tracks sind auch schon grob im Kasten. Derzeit planen wir, in loser Reihenfolge drei EPs mit jeweils drei bis vier neuen Tracks, die gleiche Anzahl interessanter Interpretationen und Remixes und jeweils 3 bis 4 Reworks der ersten drei Alben heraus zu bringen. Also jede EP hätte damit mehr als volle Albumlänge. Auch werden wir ganz neue Dinge ausprobieren, wir sind gespannt, wie die Leute das aufnehmen. Aber, es soll ja auch nicht langweilig werden.

DW: Ich muss leider nochmals etwas privater werden: Wir sind ja beide über den sinkenden Bierabsatz bestürzt. Woran bitte liegt denn das?

O: Haha, das ist wirklich erschütternd, oder? An uns Beiden kann das sicherlich nicht liegen. Ich habe dank Corona wohl noch nie soviel Bier zu mir genommen, wie im Moment. Tatsächlich hängt es wohl damit zusammen, dass es die Bierindustrie verpasst hat, dem Bierkonsum ein zeitgerechtes Image zu verpassen. Und in Zeiten von Köperwahn, Smoothies und Netflix passt Bier auch einfach nicht mehr in die Lebenswirklichkeit von jungen Menschen. Das ist wohl so ähnlich wie mit dem Rauchen und eigentlich ja auch eine gute Sache. Es ist halt nicht meine Sache.

DW: Wie immer gehört dir der Abschluss, du darfst jetzt gerne noch etwas anmerken.

O: Gerne. Leute, unterstützt eure Künstler. Kauft deren Merch, streamt oder kauft deren Alben. Unterstützt den Club bei euch um die Ecke. Selbst wenn ihr ein schlechtes Streaming-Konzert anschauen müsst.

foto by hr-pictures

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