Orange Sector ist nach einigen Jahren auf der NCN, was liegt da näher, als ein Interview zu führen.
Martin ist mit der ganzen Familie angereist, Rene mit seiner Frau Andrea. Im Prinzip kenne ich die beiden kaum anders, immer in Begleitung ihrer Ehefrauen.
Das widerspricht natürlich ein wenig dem Image der harten Rocker, die wegen Alkohol, Drogen und Groupies auf Tour gehen, den Macker raushängen lassen, während ihre Frauen sich zu Hause um die Kinder kümmern, den Haushalt auf Vordermann bringen und bereits ein leckeres Essen kochen, das den hart arbeitenden Mann bei der Rückkehr vom Konzert erwartet.
Daher werde ich ein wenig mit Martin über harte Beats und softe Typen, dem Image und den ganz normalen Wahnsinn plaudern.
DW: Martin, du bist mit der ganzen Familie hier zur NCN angereist und wenn ich mich hier im Backstage umschaue, wirkt das Ganze eher wie ein kleiner Urlaub statt eines Rockerlebens. Wie siehst du dieses typische Image aus Alkohol, Drogen, Groupies und wilden Partys?
Martin: Es ist doch eine schöne Angelegenheit, dass wir unsere Familien dabei haben können. Nicht jeder kann die Musik mit dem Familienleben vereinbaren. Vielleicht wirkt das wie Urlaub, aber dahinter steckt natürlich viele harte Arbeit. Meine Tochter soll auch diesen Typen kennelernen, der die harten Beats schreibt und auf der Bühne durchdreht. Wir sind nun seit 1993 live unterwegs und wir haben Backstage schon sehr viel erlebt. Wir brauchen das nicht!
DW: Dark Weib sieht sich nicht unbedingt beauftragt, die typischen Klischees zu bedienen und die immer gleichen Fragen nach der musikalischen Aktivität zu stellen, das kann schließlich jeder. Wir sehen uns als Sprachrohr für Gleichberechtigung und sagen dem alltäglichen Sexismus den Kampf an. Sexismus ist nicht einseitig. Daher möchte ich genau darauf eingehen, vor allem in Hinblick auf Groupies. Wie erlebst du das selbst? Sind deine weiblichen Fans enttäuscht, dass du ein glücklich verheirateter Mann und Familienvater bist? Sind dir da schräge Sachen passiert?
Martin: Wenn man ein glücklich verheirateter Familienvater ist, ist der Raum für schräge Sachen nicht vorhanden. Es sei denn, dass man das zulassen möchte. Dann stimmt meistens irgendwo etwas nicht. Wir spielen nicht mit dem Feuer. Ich hoffe sehr, dass bei unseren Fans die Musik im Vordergrund steht.
DW: Klar, wir wissen, dass viele eurer Kollegen ebenfalls mit Partner auf Tour gehen. Aber es gibt auch die anderen, die das Klischee bedienen und bei ihren Konzerten die Sau rauslassen. Wie sehen solche Kollegen euch?
Martin: Ich kann dir nicht sagen, wie solche Kollegen uns dann sehen. Ich finde das auch nicht wichtig. Vielleicht sollten sie sich lieber Gedanken machen, wie wir deren Verhalten sehen.
DW: Damit gibst du mir natürlich die Vorlage für die nächste Frage: Wie seht ihr denn deren Verhalten?
Martin: Wir haben uns den Backstageraum mit Bands geteilt, die sich mit Drogen und Alkohol zugedröhnt haben. Wir haben Idole kennengelernt, die kaum noch den Weg auf die Bühne gefunden haben. Wir konnten auch schon mal den Backstageraum nicht betreten, weil dort bordellähnliche Zustände stattgefunden haben. Wir wollen uns nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, denn wir waren ja in den frühen Neunzigern noch sehr jung. Jeder muss selber wissen was er tut, aber muss dann auch die Konsequenzen tragen. Uns ist das egal wie andere sich verhalten, aber der Zuschauer, der teures Geld für seine Eintrittskarte bezahlt hat, darf nicht darunter leiden.
DW: Ich denke, dass vor allem die Security die besten Geschichten über Groupies erzählen, da sie euch von eben diesen abschirmt. Ist es dir selbst auch schon passiert, dass du eindeutig sexuelle Angebote bekamst, damit ein Groupie mit in den Backstage darf?
Martin: Ja, solch eindeutige Angebote habe ich auch schon bekommen. Leider gab es 1994 einmal eine Situation, wo uns die Security vor zu extremen Belästigungen schützen musste. Aber das sind Ausnahmen. Wir haben mit Sexorgien, Alkohol und Drogen nichts am Hut.
DW: Hier bei der NCN ist gerade der Backstagebereich hinter der Weidenbogenbühne ein Ort der Erholung. Aber wir erinnern uns alle an diese Backstages, die man aus Filmen kennt, die eher aus einem schmuddeligen Ort mit abgerocktem Sofa und viel Alkohol auf den Tischen bestehen.
Ist dir egal, wie der Backstage aussieht oder ziehst du ein bestimmtes Ambiente vor?
Martin: Der Backstagebereich sollte auch gerade vor dem Konzert ein Rückzugsort sein. Man kann noch mal in sich gehen, Ruhe finden, Kraft tanken und sich konzentrieren. Die NCN ist ein Idealfall, aber das ist nicht immer so.
DW: Was ist deine Idealvorstellung von einem rundum gelungenen Konzert?
Martin: Eine Mischung aus guten organisatorischen Abläufen, geiler Club, fetter Sound, tanzendes Publikum und tolle Stimmung. Rene und ich geben immer alles.
DW: Ihr seid definitiv ein großartiges Team und ihr scheint wirklich viel Spaß bei euren Konzerten zu haben.
Was war für euch das Größte hier bei eurem Konzert auf der NCN? Welches Stück hat euch am meisten Spaß gemacht und warum?
Martin: Vielen Dank. Die gemeinsame Arbeit macht in dem kompletten OS-Team riesigen Spaß. Es freut uns natürlich, wenn ihr und die Zuschauer uns das anmerken. Wir gehen nicht mehr auf die Bühne um militant auszusehen und grimmig gucken zu müssen. Ich persönlich habe mich sehr darüber gefreut, dass meine Tochter das erste Mal dabei gewesen ist. Es war grandios wie sie mir auf der Rückfahrt ihre Erlebnisse geschildert hat. Das NCN ist etwas ganz Spezielles. Nirgendwo anders spürt man diesen familiären Teamspirit. Wir lieben es die Songs „Monoton“, „Für immer“ und „Der Maschinist“ live zu präsentieren. Das war auch diesmal wieder so.
DW: Wir konnten jetzt einigen Bands bei ihren Vorbereitungen zu ihren Konzerten zusehen. Jeder hat da sein System. Gibt es etwas, was für dich zum absoluten Pflichtprogramm vor dem Konzert gehört?
Martin: Je älter wir werden, desto nervöser werden wir. Nach unserer Konzentrationsphase laufen wir ein paar Runden im Wolfsgehege. Es fällt uns schwer ruhig sitzen zu bleiben, deshalb gehen wir hin und her.
DW: Damit kommt ihr genau zu der Frage, die wir uns für die NCN zum Thema machten: Was genau machst du gegen das Lampenfieber?
Martin: Ich fahre ein paar Minuten komplett runter, setze mich irgendwo alleine hin, trinke einen Tee und gehe noch mal alle Texte durch. Sobald ich meinen ersten Fuß auf die Bühne setze ist das Lampenfieber weg.
DW: Das letzte Wort gehört dir.
Martin: Auch wenn es nicht mehr modern ist, aber kauft CDs und unterstützt die Bands.