Orange Sector: „Stay safe and enjoy music!“

Foto by Coleen Bodewell

Unter den aktuellen Gegebenheiten leiden vor allem die Kunst- und Kulturschaffenden, allen voran natürlich die Kunst- und Kulturbetriebe.

Viele Künstler sind in diesem Jahr sehr produktiv, sehr innovativ und unterstützen mit ihrer Kunst die Kunst- und Kulturbetriebe.

Zu diesen Künstlern zählt Martin Bodewell mit seiner Band Orange Sector und seinen Nebenprojekten.

Im Interview gibt Martin uns einen Einblick, wie er und die Band dieses Jahr erleben, was noch geplant ist und welche Wünsche er hat.

Dark Weib (DW): Dieses Jahr läuft ja ganz anders als gedacht und geplant. Sicher haben wir alle bereits schon Anfang des Jahres die Nachrichten aus China mitverfolgt, dennoch hätte wohl zu dem Zeitpunkt kein Mensch gedacht, dass nur wenige Monate später die Welt quasi still steht.

Ich versuche natürlich auf dem Laufenden zu bleiben und so ist mir nicht entgangen, dass weder du, noch die Band untätig waren.

Dennoch erst einmal eine persönliche Frage: Wie hast du diese Zeit bislang erlebt?

Martin (M): Es ist eine furchtbare Zeit. Ich habe einen sehr großen Freundeskreis und glücklicherweise kenne ich niemanden, der an Corona erkrankt ist. Aufgrund einer schweren Vorerkrankung zählt meine Mutter zum Kreis der gefährdeten Personen.

Es fällt mir nicht leicht, ständig mit dieser Angst leben zu müssen. Wir haben die Pandemie in Deutschland rechtzeitig erkannt und durch eine lobende Disziplin haben wir diese Katastrophe schnell, gut und vorbildlich in den Griff bekommen. Aber je länger diese Zeit andauert, desto bekloppter werden die Menschen. Leider haben wir nicht alle die nötige Disziplin. Es ist schlimm, dass so viele nicht darüber nachdenken, was sie mit Sauftourismus und Massendemos anrichten. Es ist für mich schwer zu verstehen, wie viele nun mittlerweile damit umgehen. Ich bin auch sehr negativ überrascht, wie impulsiv sich neuerdings einige verhalten. Wir sollten diesen Weg miteinander und nicht gegeneinander gehen.

DW: Ihr wart trotz der aktuellen Ereignisse sehr produktiv.

Die EP „Zerstörer“ als limitierte Auflage in Vinyl war logischer Weise schon vor dem Lock-Down in der Produktion, VÖ war am 20. März, bereits am 27. April war sie so gut wie ausverkauft. Zudem war sie in den DAC platziert und bekam auch ansonsten sehr gute Kritiken.

Leider kamen ja in den letzten Tagen traurige Neuigkeiten, Helmut von Zoon Politicon, die mit einem Remix zur EP beitrugen, verstarb, mein aufrichtiges Beileid.

Ich schätze, diese EP wird nun einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen, sowohl in der Bandgeschichte, als auch bei dir persönlich.

Vielleicht magst du kurz etwas dazu sagen.

M: Die Zerstörer-Vinyl war schon lange produziert, aber durch Corona hat sich das extrem in die Länge gezogen. Es freut uns sehr, dass Vinyl wieder angesagt ist. Als Jugendlicher habe ich auch selbst Schallplatten gesammelt. Es ist ein schönes Gefühl ein Cover in der Hand zu halten, die Scheibe aufzulegen und dann die Songs zu hören. Das ist Nostalgie, die uns sehr gut gefällt.

Vielen Dank für dein Beileid. Mit Helmut ist ein toller Mensch, akribischer Arbeiter, Freund, und guter Musiker von uns gegangen. Ich habe mit dem Orange Sector Remix von Zoon Politicons – Sense of life besonders gut trauern können. Dadurch habe ich gelernt, dass Helmut durch seine Musik für immer bei uns bleiben wird. Außerdem hat auch die EP nun eine andere Bedeutung für uns.

DW: Auch ansonsten seid sowohl ihr als Band, als auch du sehr produktiv. Im Mai waren sowohl die Zerstörer-EP, als auch „Unsterblich“ von Lykard, einem Nebenprojekt von Vasi Vallis (Frozen Plasma) und dir sowohl in den GEWC, als auch den DAC vertreten.

Weiterhin hast du ein neues Nebenprojekt, „Pandoria“ mit Stephan Tesch, ehemals Paranoid, mit dem ihr am 5. Juni die EP „Crush“ veröffentlicht habt.

Wie würdest du dieses Jahr für deinen musikalischen Erfolg beurteilen?

M: In diesem Jahr hatte ich wirklich große Lust, mich in ein paar Nebenprojekte zu stürzen. Natürlich begann der Produktionsstart bereits im Frühjahr 2019. Meine Mitmusiker in den Projekten Lykard und Pandoria sind menschlich und musikalisch auf hohem Niveau. Die Arbeit macht in beiden Projekten viel Spaß. Lykard ist sehr technoid und hier habe ich die Möglichkeit mich musikalisch zurückzuhalten. Bei Pandoria konnte ich endlich mal wieder mit Melodien und Harmonien spielen. Hierbei möchte ich die Songs Spark und Crush hervorheben. Beim Pianospielen und Einsingen der beiden Songs habe ich Gänsehaut bekommen. Stephan und ich haben uns das Songwriting aufgeteilt. Pssst. nicht weitersagen, es kommen noch mehr Projekte 🙂 Ich war in meiner Kurzarbeitsphase fleißig.

DW: Im März begann der Lock-Down, mit dem es natürlich zu den Verschiebungen von Konzerten und Festivals kam.

Gerade die Kunst- und Kulturszene litt und leidet am meisten unter den Folgen der Covid-19-Pandemie.

Für diejenigen, wie auch ihr, die nicht von der Kunst allein leben, sind die monetären Gründe zu vernachlässigen.

Für die Clubs und Veranstalter hingegen ist es finanziell natürlich ein absolutes Desaster.

Fernab daon, dass hier staatliche Hilfen versagen, wir wollen hier nicht politisieren, gibt es zum Glück viel Unterstützung der Künstler, Fans und Besuchern. Egal ob es in Form von Streams, Spenden, Gutscheinen oder Ähnlichem ist.

Wir alle haben unsere Local Heros, die wir unterstützen. Dennoch möchten wir alle im nächsten Jahr, so es möglich ist, auch überregional wieder Unternehmungen tätigen. Hast du einen besonderen Tipp, wen man vielleicht noch unterstützen kann und in welcher Form?

M: Was ist ein Clubhit ohne Club? Wir leiden mit der gesamten Szene und natürlich haben wir in Hannover den legendären Szeneclub SUBKULTUR unterstützt. Bitte einfach mal auf die Facebookseite des SUBKULTUR-HANNOVER gehen und die Möglichkeiten der Unterstützung anschauen. Spenden, T-Shirts vom Club erwerben, etc. Der Jens Klostermann, oder die Front Melli haben gute Ideen zum nötigen Support. Genau diese Clubs braucht die Szene. Macht bitte nicht die Reichen reicher, sondern unterstützt auch die „kleinen“ Berufsmusiker. Ich habe kein gutes Gefühl dabei, wenn ich lese, dass Sarah Connor vor 13.000 Fans spielen darf und meine Kumpels ihre Studios nicht mehr bezahlen können, weil sie nicht vor 200 Zuschauern spielen dürfen. Zurzeit sehe ich vieles als ungerecht an. Die Unterstützung vom Staat muss sich verbessern und intensiver werden.

Ein Streaming ist natürlich ein gutes zusätzliches Medium. Ich bin aber überhaupt kein Freund der Streamings von EBM-Bands. EBM muss im Konzert greifbar sein. Ich freue mich eher darauf die Leute im Konzert zusehen. Das passt in anderen Szenen besser zusammen.

DW: Auch wenn ich weiß, dass weder du noch deine Bandkollegen von der Musik leben: Hattest du besondere, bzw. hattet ihr als Band besondere Einbußen durch die Pandemie?

M: Nein, denn wir sind hauptberuflich stark eingebunden. Die Musik ist ein sehr intensives Hobby, von dem wir nicht leben müssen, können und auch nicht leben wollen. Wir haben alle drei einen anderen Weg gewählt und brauchen keine finanzielle Unterstützung. Bei vielen befreundeten Musikern geht es aber um Existenzen. Der Staat darf sie nicht fallen lassen. Wir vermissen lediglich den Umgang mit unseren Fans. Wir wollen auf die Bühne, laute Musik machen und schwitzen. Das so viele OS-Konzerte ausfallen macht uns daher natürlich traurig.

DW: Die Verschiebung welchen Konzerts oder Festivals war für euch persönlich am traurigsten und aus welchen Gründen?

M: Weil wir eine Liveband sind, macht uns der Ausfall aller Konzerte traurig.

DW: So langsam normalisiert sich unser Leben. Klar, wir haben noch einige Einschränkungen, dennoch fühlt es sich langsam wieder relativ normal an. Und endlich gibt es auch wieder echte Konzerte und Festivals, wenn auch anders als zuvor, aber es gibt sie. Mit Freuden habe ich gelesen, dass ihr bei dem Special der NCN dabei seid.

Bitte beschreib uns doch mal das Gefühl, als die Bestätigung schwarz auf weiß vorlag?

M: Wir sind Fans von der NCN. Nun gibt es eine NCN-Special 2020 und leider können Painbastard nicht spielen. Der Veranstalter hat uns kontaktiert um die entstandene Lücke zu schließen. Es bietet sich uns endlich mal wieder eine Möglichkeit auf die Bühne zu gehen. Diese Chance wollten wir nutzen. Ich vermute das auch 2021 viele Konzerte ausfallen werden.

DW: Worauf freust du dich bei der NCN am meisten?

M: Auf die Umgebung, auf das tolle Team von Holger Troisch, die familiäre Stimmung, auf die Show, und auf die Neugierde. Wir wissen diesmal nicht genau was uns dort erwartet.

DW: Das NCN-Team hat hart gearbeitet, um ein schlüssiges Hygienekonzept vorzulegen, mit dem es eine Genehmigung für die NCN gab. Immerhin gab es einige, wenn auch nur wenige, Veranstalter, die Konzepte erstellen konnten, um die Hygieneauflagen zu erfüllen. Wir alle hoffen, dass es noch mehr Veranstalter schaffen. Da du natürlich weitaus näher dran bist: Gibt es weitere Konzerte in diesem Jahr bei denen ihr dabei sein werdet?

M: Das Team hat wie immer grandios gearbeitet. Wir verneigen uns vor der Crew und wir wissen das zu schätzen, was dort jedes Jahr auf die Beine gestellt wird. Ich hoffe sehr, dass es stattfinden wird. Alle weiteren OS-Konzerte werden ausfallen.

DW. Auch wenn wir schon weiter oben besprochen haben, wie aktiv ihr als Band und auch du mit deinen Nebenprojekten warst: Was steht musikalisch als nächstes an?

M: Ich möchte nicht alles verraten, aber mit einem möglichen neuen Orange Sector Album lassen wir uns ganz viel Zeit. Ich habe zwar bereits genügend neue Demos geschrieben, aber an den Feinschliff gehe ich erst dann, wenn die Clubs wieder geöffnet haben. Mit einer befreundeten EBM-Band werde ich bald eine Single veröffentlichen und am 21.08. erscheint das Pandoria-Album. Es wird noch eine weiteres Projekt geben. Mit der Bekanntgabe warten wir aber noch ein bisschen ab.

DW: Die letzten Worte gehören dir.

M:

1.) Maske tragen

2.) Abstand halten

3.) Gehirn einschalten

Stay safe and enjoy music

Foto by Coleen Bodewell
Veröffentlicht in Uncategorized.